Das Team des Forschungsprojekts «Zwischen Erwartungshaltung und Empathie: Expertise-Aushandlung und Verständigungspraktiken in der Online-Wissenschaftskommunikation» untersucht digitale Räume, in denen über wissenschaftliche Themen diskutiert wird. Insbesondere vor dem Hintergrund der durch Covid-19 vermehrt aufkommenden Wissenschafts- und Medienskepsis kommen öffentlichen Online-Angeboten bei der Wissensaushandlung eine prägende Rolle zu. Dort verschwimmen zunehmend die Grenzen zwischen Expert:innen, Journalist:innen, Vermittler:innen, Amateur:innen und Laien. Das führt zu einer Neuaushandlung und Neuverteilung von Rollen in der Wissenschaftskommunikation.
Unsere Forschung beleuchtet diese Komplexität aus unterschiedlichen Perspektiven. Wir analysieren die etablierte Dichotomie zwischen Expert:innen und Laien, da diese Dichotomie in der Online-Kommunikation nicht mehr klar definiert ist.
Die zentralen Fragen, die uns leiten, passen zu den drei E : Empathie, Erwartung und Expertise:
- Wie kann in den Diskussionen Empathie gefördert werden und wie fördert sie eine erfolgreiche Kommunikation? Was sind Faktoren, die zu guter Online-Kommunikation trotz strittiger Themen und unterschiedlicher Meinungen führen?
- Wie wird Expertise in Blogs und Online-Kommentaren ausgehandelt? Welche Autoritäten werden zum Konstruieren von Wissen und zum Überzeugen angeführt?
- Welche Erwartungen haben unterschiedliche Gesprächsteilnehmer:innen aneinander – an angemessene Formulierungen, Argumentationsstrategien etc.? Wie explizit zeigen sich diese Erwartungen in den untersuchten Texten?
Diese Fragen sollen im Projekt mit einer methodischen Mischung aus qualitativen und quantitativen, korpuslinguistischen Methoden beantwortet werden. Wir freuen uns darauf, unsere Fortschritte, Erkenntnisse und Ergebnisse hier mit Ihnen zu teilen und gemeinsam die Zukunft der Wissenschaftskommunikation zu gestalten!
Das Projekt wird an der TU Darmstadt und der Universität Zürich durchgeführt, sowie finanziert von der Deutschen Forschungsgesellschaft und dem Schweizerischen Nationalfonds.
Teilprojekt Gunilla Kaibel
Gunilla Kaibel erforscht Verständigungspraktiken in Online-Diskussionen über wissenschaftliche Themen.
Mithilfe einer Mischung korpuspragmatischer und interaktionslinguistischer Methoden untersucht sie sprachliche Muster in Online-Kommentaren im Blogportal SciLogs und in den Kommentarspalten von Videos ausgewählter wissenschaftskommunizierender YouTube-Kanäle.
Im ersten Beitrag ihrer kumulativen Dissertation beschreibt sie quantitativ, wie bestimmte Arten von Fragen mit unterschiedlichen Diskursrollen (wie bspw. Expert:in, sehr aktives Mitglied der blog communitiy) zusammenhängen und erweitert bestehende Modelle zum epistemischen Status zwischen Fragenden und Gefragten. Sie zeigt, dass bestimmte Fragen dafür genutzt werden können, Expertise bzw. einen Wissensvorsprung darzustellen.
In den weiteren Studien untersucht sie, wie sprachliche Praktiken (wie metasprachliches Framing von Aussagen, Referenzier- und Zitierpraktiken) in Kommentaren die weiteren Kommentare beeinflussen. Ein Ziel ist, herauszufinden, ob bestimmte sprachliche Praktiken dazu beitragen können, dass es zu weniger Missverständnissen, Polarisierung und Eskalation kommt und zu zeigen was im Gegensatz dazu als «Triggerpunkt» (vgl. Mau et al. 2023) in Diskussionen wirkt.
Einen Einblick in eine ihrer Methoden gibt dieses Video, das sie im Rahmen eines Videoabstract-Workshops produziert hat:
Teilprojekt Tobias Krauß
In SciLogs geht es besonders in Blogs zu wissenschaftlichen Themen, die als politisiert wahrgenommen werden, kontrovers zu – eines davon: der Klimawandel.
In seinem Dissertationsprojekt geht es Tobias speziell um das Spannungsverhältnis zwischen Skeptikern und Wissenschaftlern im Klimawandeldiskurs. Sind Skeptiker gleich Skeptiker? Unterscheiden sich Klimaskeptiker nicht vom eigentlich mertonschen Ideal der Skepsis gegenüber wissenschaftlichen Ergebnissen und wie wird dies sprachlich, kommunikativ sichtbar? Lassen sich solche Kommentare überhaupt rein an der sprachlichen Oberfläche erkennen und wie positionieren sich Teilnehmer, die dem klimawissenschaftlichen Konsens folgen, gegenüber solchen, die ihn anzweifeln?
Diese und viele weitere Fragen untersucht Tobias ausgehend von n-Gramm Analysen an seinem Forschungskorpus und analysiert die auf diese Weise gefundenen Sequenzen mithilfe qualitativer Methoden.



